Wort oder Ausdruck der Woche
e Schlötterlig aahänke
Bereits
als Kind lernte ich, dass es verboten ist, jemandem e Schlötterlig aazhänke «Übles
oder Anzügliches zu sagen». Je nach Schwere des Falls drohten, erfuhren meine
Eltern von der Tat, eine Standpauke oder Schläge. Heute ist das Schlötterligaahänke
in den sozialen Medien zu einer Art Volkssport der Erzürnten, Beleidigten,
Benachteiligten und Unzufriedenen geworden. Es geht ja anonym! Ich musste mich
vor siebzig Jahren wenigstens noch hinstellen, wenn ich jemandem beschied, er
sei ein trou de cul oder tümmer weder Lütis Füdle. Wir machen
also gern, was wir eigentlich nicht sollten, und der Ausdruck e Schlötterli
aahänke ist so beliebt, dass er es als Helvetismus ins Schweizer Hochdeutsche
geschafft hat. In der «Basler Zeitung» vom 3. Februar 2017 lese ich in einem
Artikel, dass in der Sendung «Arena» im Schweizer Fernsehen vieles zum Ritual
verkomme: «Parolen, ein bisschen gespielte
Empörung, dem Kontrahenten ein paar Schlötterlig anhängen, fertig.» Judith
Giovanelli-Blocher erinnert sich in der «Annabelle» vom 17. Juli 2012 in einem
Gespräch über ihre Lebensgeschichte: «Die Leute im Dorf meldeten sofort,
wenn eines der Pfarrerskinder Kirschen gestohlen oder jemandem Schlötterlig
angehängt hatte.»
Das
Wort Schlötterlig bezeichnet ursprünglich «aus der Nase hängenden Rotz»,
also das, was unter der Nase ekelhaft schleimig schlottert, dann auch einen
Batzen Brei oder Dreck, der irgendwo hängt. Mit übertragener Bedeutung wurde Schlötterlig
bereits im späten Mittelalter für «Schimpfname, Schandfleck» gebraucht,
weil die ebenfalls ekelhaft sind und an einem Menschen hängenbleiben. Im Jahr
1541 ist im Wörterbuch von Frisius belegt: «du henkst yederman ein schlöterling
an». Und in einer Zürcher Quelle von 1644 ist von Tätern die Rede, die «einem Ieden
ein Schlötterling anhänktend; den Herrn Heinrich Thoman nenntend sy Peterly uff
allen Suppen, Herrn H. J. Hoffmann die gross Brachmoren».
E Schlötterlig
aahänke ist heute noch in vielen Deutschschweizer Mundarten bekannt, vom
Basel- bis ins Appenzellerdeutsche, vom Berndeutschen bis in die Mundarten der
Innerschweiz. Aber nicht nur da. Wir finden den Ausdruck als e Schlädderli
aahänke im süddeutschen Alemannischen. Auch im «Wörterbuch der elsässischen
Mundarten» lesen wir: eim Schletterle anhengge «einem übel nachreden».
(Die gesammelten Wörter der Woche finden Sie
hier)
AALUEGE Eine Seite aus dem schönen Züritüütsch-Chinderchochbuech "Misch & Masch", das die Handelskette BachserMärt herausgegeben hat: